Hier könnt ihr Vergangenheiten zu euren Figuren schreiben :3
Vielleicht besondere oder schlimme Ereignisse, die euren Charakter beschäftigt oder prägt O.o

Ich glaube mehr muss ich dazu nicht sagen c.c'

Ungefähr vierzehn Jahre bevor Phönizien fiel...

Ich schritt durch die Finsternis. Ein schmaler Pfad zeigte mir den Weg ins Unendliche. Hin und wieder striffen meine Schuhe verdorrte Pflanzen, die durch den erdigen Boden gebrochen waren. Alles um mich herum schien leer. Finster. Tot. Ich fürchtete mich, fühlte mich aber andererseits so geborgen. Als wäre diese Dunkelheit mir irgendwie vertraut.
"Noctissss", säuselte eine leise, scharfe Stimme an meinem Ohr, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Ich blieb erschrocken stehen. Mein Atem ging schnell und ich sah mich verunsichert um. Was war das? Als ich wieder nach vorne auf sah, trat ich vor Schreck zurück. Ein dunkler Schatten schwebte einige Meter vor mir auf dem Weg. Zwar konnte ich nur Umrisse ausmachen, aber ich wusste, dass das da vorne ich war. Ein Schatten meiner selbst. Dunkle, rote Augen starrten mich an. "Noctisss." Der Schatten bewegte seinen Mund, die Stimme war viel mehr ein Flüstern, das mich erschaudern ließ.
"Wer bist du?", fragte ich krächzend. Ich hatte Angst. Ich wollte weg von diesem Ort, zurück nach Hause. Aber meine Füße waren wie fest gewachsen. Der Schatten näherte sich mir langsam.
"Du weißt, dass du tief in deinem Innern nicht so sein willst wie du jetzt bist. Du willst wissen, was du bist. Ist es nicht so?" Ich starrte mit großen Augen das Ungetüm vor mir an, wollte ihm ausweichen, doch konnte mich nicht von der Stelle bewegen. Der Schatten meiner selbst stoppte wenige Meter vor meinem Gesicht. Die roten Augen brannten sich in meine und ich schrie, versuchte ihn weg zu stoßen. Doch meine Arme griffen nur durch ihn hindurch, als wäre er ein Geist.
"Dein Blut ist verschmutzt, du trägst dieses dunkle Gen in dir."
Diese Stimme schien durch meinen Kopf zu dringen, es machte mich wahnsinnig. "Nein...lass' mich...Ich will nicht..", schluchzte ich verzweifelt. Auf einmal wurde mir ganz kalt und eisig.
"Du sehnst dich doch danach, ihn zu töten, alle zu töten, die dich unterschätzen. Nicht wahr?"
"Nein!" Ich schrie, spürte, wie die Tränen wie Bäche über meine Wangen flossen. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Auf einmal verlor ich das Gleichgewicht, kippte nach hinten in das tiefe schwarze Nichts.
"Du wirst niemals so sein wie dein Vater. Nie."
Ich schrie aus Leibeskräften weiter, kam dann aber irgendwann zu mir. Starke Arme hatten mich in den Arm genommen, drückten mich sanft an einen warmen Körper. Es war mein Vater. Er saß an meinem Bett, strich mir über den Rücken und flüsterte mir beruhigende Worte zu. Weinend vergrub ich mein Gesicht an seiner Schulter. "Es war wieder da", schluchzte ich leise. "Das Monster."
"Es wird alles gut werden, Noctis", murmelte mein Vater und seine Stimme hatten eine beruhigende Auswirkung auf mich. Nach ein paar Minuten der Stille, in der wir einfach so verharrt waren, löste er sich von mir und deckte mich fürsorglich wieder zu. Snow sprang auf die Matratze und rollte sich neben meinen Kopfkissen zusammen. Mein Vater beugte sich noch einmal vor, um mir einen leichten Kuss auf die Stirn zu geben. "Ruhe dich aus. Snow wird dich beschützen. Mach' dir keine Sorgen." Er lächelte mich an und verließ den Raum. Als die Türen zu meinem Zimmer geschlossen wurden, war ich schon längst wieder eingeschlafen.

"...is...Noc...tis...Noctis!"
Ich blinzelte. Sonnenlicht drang durch die großen Fenster und blendeten mich, weshalb ich die Augen schnell wieder schloss und mit einem lauten Grummeln die Bettdecke über meinen Kopf zog. Gleich darauf ab zog jemand sanft an dem Laken. "Mein Prinz", drang eine sanfte Stimme an mein Ohr. "Ihr solltet aufstehen. Eure Majestät wartet auf Euch." Es war meine Zofe, die sich jeden Morgen darum kümmerte mich irgendwie wach zukriegen. Was ihr zugegeben nicht immer gelang.
"Ich will nicht", nörgelte ich trotzig, rollte mich auf meiner weichen Matratze zu einer Kugel zusammen. Plötzlich spürte ich, wie vier kleine Pfoten auf meiner Decke herum liefen und sich eine Schnauze darunter schob. Weißes Fell kitzelte mich an der Nasenspitze, was mich aufkichern ließ. Mein kleiner Fuchs schnupperte weiter an meinem Gesicht herum und knabberte mir schließlich am Ohr, was mich endgültig aufwecken ließ. "Naaa gut", gab ich nach, setzte mich auf und nahm Snow auf meine Arme.
Meine Zofe half mir aus dem Bett und zog mir mein Gewand für den heutigen Tag an. Ein weißes Hemd mit schwarzer leichten Jacke und die passenden Schuhe. Ich rieb mir die immer noch müden Augen, während meine Haare frisiert wurden. Musste der Tag immer so früh beginnen? Ich musterte mich argwöhnisch im Spiegel und spielte gelangweilt an einem Kamm herum der auf dem Frisiertisch vor mir gelegen hatte.
"Wieso möchte mich mein Vater sehen", fragte ich meine Zofe dann und sah mit großen blauen Augen zu ihr hinauf. Sie lächelte nur und nahm mir den Kamm aus der Hand um mit diesem irgendwas mit meinen Haaren zu machen. "Ich weiß es leider nicht. Aber ich habe gehört dass der Sohn des Generals hier eingetroffen ist." Ich zog eine Schnute. Eigentlich wollte ich doch mit Asuko den Geheimgang erforschen, den er - seinen Erzählungen nach - unten im Weinkeller gefunden hatte. Vater musste immer dann immer mit irgendetwas kommen wenn ich wirklich keine Lust hatte. Gut - Es gab eigentlich nie einen Zeitpunkt an denen ich Lust für seine Anlässe hatte.
Nachdem die Zofe mir noch einmal das Hemd zurecht gerückt hatte, übergab sie mich einer Wache, die vor meinem Zimmer postiert war. Snow folgte mir auf Schritt und Tritt. Lustlos trottete ich der Wache hinterher und unterdrückte ein ausgiebiges Gähnen. Als wir an der großen Bibliothek vorbei kamen, konnte ich einen Blick ins Innere erhaschen und blieb vor Überraschung stehen. Zwei Gestalten standen vor der Fensterfront. Und das waren niemand anderes als Glael...Und Asuko. Ich hatte meinen Freund schon öfters dabei erwischt wie er diesem Mädchen hinterher gelaufen und sie beobachtet hatte. Ehrlich gesagt wusste ich gar nicht was ich von Glael halten sollte. Sie war komisch. Aber auch hübsch.
"Euer Hoheit", meldete sich die Wache mit einem Räuspern zu Wort und riss mich ganz aus den Gedanken. Ich warf nur noch einen kurzen Blick in den Raum mit den ganzen Büchern hinein bevor ich meinem Begleiter weiter den Gang entlang folgte. Bei der Tür zum Thronsaal drehte sich die Wache zu mir um und richtete seinen Blick auf den Fuchs, der neben mir saß. "Es ist besser, wenn Euer Fuchs hier bleibt, mein Prinz. Geht nur hinein. Ihr werdet bereits erwartet."
Ich nickte nur, strich Snow ein letztes Mal über den Kopf, ehe ich den Saal betrat. Jedes Mal wenn ich hier war verschlug es mir fast den Atem. Der Raum war riesig. Der Boden war so aufpoliert, dass man sich darin spiegeln konnte. Säulen zierten die Wände, bildeten kleine Innengänge in denen die Wachen im Schatten postiert waren. Ich war durch einen Seiteneingang herein gekommen und lief nun zwischen den Säulen langsam auf das andere Ende des Raumes zu. Dort führten beinahe unzählige, geschwungene Treppenstufen zum Thron des Königs hinauf. Hinter diesem war die Wand fast ausschließlich mit Glas verkleidet worden und die Sonne warf ein schönes Licht in den Raum hinein.
Ich blieb in der Nähe der Treppe stehen. Mein Vater saß in seiner üblichen Königsmontur auf dem Thron. Unten an der Treppe stand eine kleine Gestalt, die ich näher betrachtete. Es war ein Junge, blond, vielleicht so alt wie Asuko. Er trug ein Schwert am Gürtel. War er vielleicht von der Akademie der Königsgarde. Das würde erklären, warum er so seltsam salutierte und gerade irgendeinen Schwur ableistete, dem ich nur zur Hälfte zuhörte. Ich unterdrückte noch ein Gähnen, blinzelte ein paar Mal. Dann blickte ich wieder zu dem Jungen. Trotz seiner strammen Haltung konnte ich sehen, wie aufgeregt er war. Seine Beine zitterten leicht. Warum war er überhaupt hier?
"Lasst Prinz Noctis vortreten." Die Stimme meines Vaters ließ mich zusammen schrecken und ich sah zu ihm hinauf, tat, wie mir geheißen. Zögerlich trat ich ins Licht und versuchte eine angemessene Haltung anzunehmen. Mein Vater lächelte mild. "Noctis, dies ist dein neuer Leibwächter. Er wird dir folgen und dient zu deinem Schutze."
Verwirrt starrte ich den Blondschopf vor mir an, der ebenso zurückstarrte. Das sollte mein neuer Leibwächter werden? Warum? Naja, eigentlich konnte es mir ja egal sein.
Ich verbeugte mich tief vor dem Thron. "Natürlich, Vater." Der Junge tat es mir gleich. Es dauerte einen Moment, bevor mein Vater wieder die Stimme erhob.
"Es ist Euch erlaubt, zu gehen."

...wenig später im Zimmer des Prinzen...

"Wie heißt du?", fragte ich den Jungen, während ich um ihn herum lief und ihn neugierig musterte. Er hatte eine edle Montur an.
"Jinho Cal Avecdo", stellte sich dieser vor und verbeugte sich. "Es ist mir eine Ehre Euch dienen zu dürfen."
Ich blinzelte irritiert, legte den Kopf schief und lächelte dann. Als sich unsere Blicke trafen, dachten wir wohl dasselbe.
Dies war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Nachtwind

Es war ein regnerischer, stürmischer Tag gewesen. Es war mehrere Monate nach meinen Eintritt in Asters Garde gewesen. Der große König hatte mich warm empfangen, mir ein seltsames Getränk angeboten, das er 'Tee' nannte. Ein großer Mann mit so weißem Haar, das es im kargen kaatanischen Sonnenlicht strahlte. Und er war so sanft. Ich fühlte mich bei ihm so geborgen. Und gleichzeitig machte es mir solche Angst. Er hatte mir zu meiner großen Überraschung ein eigenes Zimmer gegeben, ein kleiner gemütlicher Raum im Burgturm. Tagsüber hielt ich mich gerne dort auf, lehnte mich weit aus dem Fenster und betrachtete die unendlichen Weiten des Landes. Doch nachts machte ich kein Auge zu, hatte furchtbare Albträume und musste schreien. Manchmal schmerzten meine Lenden noch so sehr und ich fühlte mich wie vor dem Jahr davor, bevor ich den Räubern das Garaus gemacht hatte. Egal wie oft ich ein Bad nahm - Dieses Gefühl, beschmutzt zu sein verfolgte mich Tag zu Tag.
Jetzt hielt ich mich in einem der großen Trainingshallen auf. Shanea, meine Meisterin, beobachtete mich, wie ich einen Pfeil nach den anderen verschoss, mit höchster Perfektion. Sie war eine Schattenelfe, die ich durch und durch bewunderte. Ihre Flügel ähnelten meinen, aber ihre waren so stark und so viel kräftiger als meine. Man sah ihr niemals an, was sie dachte. Jeder am Hofe hatte Respekt vor ihr. Was würde ich dafür geben, so wie sie zu sein. Viel über ihre Vergangenheit wusste ich kaum, nur, dass sie Valandriel mit eigenen Augen gesehen hatte und früher Ophira gedient hatte. Manchmal hatte ich das Gefühl, zwischen Aster und ihr harrte ein stiller Konflikt. Warum, wusste ich nicht. Aber er war da. Das spürte ich.
Nachdem ich den letzten Pfeil aus dem Köcher gezogen und verschossen hatte, senkte ich langsam den gezierten Bogen und sah die hoch gewachsene Elfe mit fragenden Blick an. Für ein paar Sekunden musterte sie mich stumm, dann seufzte sie und stieß sich von der Wand ab, an der sich gelehnt hatte. "Ich denke, für heute hast du genug trainiert. Du machst dich gut und lernst sehr schnell." Ein ehrliches Lächeln erschien auf ihren Lippen, während sie mir über den Kopf strich. Ihre Hand wanderte an meiner Wange entlang und unter mein Kinn, um es leicht anzuheben. "Du bist wirklich eine Schönheit. Aber du lächelst nie. Wirklich nie. Derjenige, der dich zum Lächeln bringt, muss wohl ein Gott sein." Mit großen Augen sah ich sie an, schwieg aber. Sie wusste, genau wie Aster, was mit mir passiert war. Shanea sprach nie direkt darüber. Vielleicht, weil sie ahnte, wie es mir erging.
"Nun gut", durchbrach sie die Stille und richtete sich wieder auf. "Aster hat mich gebeten, dir dein Geschenk zu übergeben, was du dir allemal verdient hast."
Sie ging zum anderen Ende des Raumes und öffnete dort die Türe. Ich folgte ihr leichtfüßig. Zwar zog ich es vor ohne Schuhe zu laufen, doch die Stiefel schützten mich vor dem kalten Boden. Außerdem war ich auszubildende Kriegerin.
Wir gingen durch die dunklen Korridore, der Wind bahnte sich seinen Weg durch all die Ritzen der riesigen Burg. In der Ferne hörte man bereits den Donner. Es war dunkel geworden, dabei war es noch nicht einmal Nacht. So war es, mein geliebtes Kaatan. Irgendwann stoppten wir vor einer riesigen, eisenbeschlagenen Türe, die streng bewacht wurde. Shanea brauchte nicht lange, um uns Zugang zu verschaffen. Was wurde hier denn bewacht?
Wieder folgte ich ihr. Der Raum hinter der Pforte war warm, wärmer als der Rest der Burg. Es gab keine Fenster, die Decke war sehr hoch. Überall lag Stroh herum und Fackeln beschmückten die kahlen Wände. Ein tiefes Grummeln ließ mich zusammen zucken. Instinktiv trat ich näher an meine Meisterin heran.
Und dann sah ich es.
Eine Kreatur, dreißig Meter hoch, ein langer Hals und Schwanz, vier monströse Beine. Dunkle Schuppen schimmerten im flackernden Licht. Bernsteinfarbene, stechende Augen starrten mich an. Zwei gewaltige Flügel zierten den Rücken des Tieres. Das war ohne Zweifel... "...ein Drache?", fragte ich tonlos, war überwältigt von dem Anblick. Shanea lachte als sie mich so sah. Der Drache senkte den Kopf, schnaubte und ließ sich von der Elfe über die qualmenden Nüstern streichen.
"Das ist Dragma. Eine alte Lady, sie dürfte bereits mehrere Tausend Jahre alt sein. Aster hat sie aus Westfold geholt. Ist sie nicht schön?" Vorsichtig trat ich näher heran. Die Drachin bemerkte mich und streckte mir neugierig die Nase entgegen. Diese war schon beinahe größer als ich selbst. Shanea nickte mir zu und ich strich über die glänzenden Schuppen. Es fühlte sich weder kalt noch warm an. Ein seltsames Gefühl.
"Es ist so...", fing meine Meisterin dann plötzlich an und deutete auf Dragmas Flügel. "Da drunter ist etwas, was dich vielleicht noch mehr interessieren dürfte." Als hätte das Tier sie gehört, hob sie einen ihrer Schwingen. Darunter kam etwas hervor gekraxelt, bei dessen Anblick ich am liebsten vor Überraschung aufgequiekt hätte. Ein Dutzend kleiner Abbilder des riesigen Kreatur tummelten sich auf dem Stroh. Allesamt waren von dunkler Farbe. Nur eines passte nicht ganz ins Bild. Ich trat näher heran. Eines der Drachenjungen, die bereits eine Größe von mindestens fünfzehn Metern erreicht hatten, lag etwas abseits im Stroh und beobachtete seine Geschwister mit argwöhnischen Blick. Sein gesamter Körper war schneeweiß, nur an den Spitzen von seinen Flügeln und an den Beinen vermischte sich das Perlweiß mit grauen Tupfern.
Shanea kam ebenfalls näher. "Er ist der schwächste von allen, er kann noch nicht einmal fliegen", gab sie zu und begutachtete das Junge misstrauisch. "Du willst es doch nicht etwa haben?" Ich konnte es noch nicht ganz realisieren. Aster schenkte mir einen Drachen. Eine Kreatur, die in allen Ländern begehrt wurde. Und dieses Exemplar war etwas besonderes. Ein schwaches, armes Ding. Hoffnungslos, ohne Frage. Ausgestoßen von dieser Welt. Da war doch etwas, was uns verband. Oder nicht?
Shanea musterte mein Gesicht und begriff. Sie seufzte. "Und? Wie soll denn der gute heißen?"
Meine Hand strich über den Kopf des kleines Riesens. Er blickte mich mit seinen dunklen Augen an und schnaubte vergnügt, bevor ich meiner Meisterin endlich antwortete.
"Ardanwen."

Es war ein regnerischer Tag. Der Himmel hatte sich durch die grauen Wolken verdunkelt und die Bibliothek lag im Schatten. Nur wenige Kronenleuchter beleuchteten die Bücherregale, die sich wie ein Irrgarten bis unter die Decke quer durch den Raum erstreckten. Die dicken Tropfen verursachten ein dumpfes Geräusch, wenn sie gegen die meterhohen Scheiben der Fenster prasselten. Von weiter Ferne konnte man den Donner hören. Irgendwie unheimlich. Und doch so beruhigend. Ich saß im reinen, schneeweißen Nachtgewand an einem Tisch in der oberen Etage und sah gedankenverloren in den finsteren, verregneten Garten hinab. Jetzt wirkte er so verlassen, keiner ging die vielen Pfade zwischen den liebevoll angelegten Blumenbeeten entlang um die Meisterarbeit der königlichen Gärtner zu bestaunen. Es war selten, dass es in Phönizien so regnete. Aber an diesen Tagen legte sich immer ein Schleier über das Land, der das Volk in einen ewigen Schlaf versetzen wollte. So erschien es mir zumindest. So weit, wie ein neunjähriger Prinz darüber urteilen mochte. Ich kannte die Welt da draußen kaum. Aber irgendetwas sagte mir, dass mir dieser Tag in Erinnerung bleiben sollte. Ich stützte mein Kinn auf der Handfläche ab. Vor mir auf dem Tisch aus Marmor lag ein aufgeschlagenes Buch über phönizische Mythen und Sagen. Ich hatte gerade eine Geschichte über irgendeinen Thelyn gelesen. Glael hatte es gelesen, das wusste ich. Eigentlich wollte ich nicht zugeben, dass ich ihr nach spionierte, aber doch tat ich es. Gestern hatte sie die Bibliothek verlassen und das Buch auf der Seite aufgeschlagen zurück gelassen. Seit gestern hatte ich sie nicht mehr gesehen. Sonst war sie immer hier. Manchmal sogar in der Nacht.
Plötzlich landete etwas Warmes auf meinem Finger und ich zuckte unwillkürlich zusammen. Wachs war aus dem Kerzenhalter hinab getropft und auf meinem Finger gelandet. Ich schnipste den erkalteten Wachsklumpen fort. Etwas eingeschüchtert blickte ich mich um, als mir die Stille im Raum erst richtig bewusst wurde. Die Wände zierten riesige Gemälde der königlichen Familie, meinen Ahnen und den Wächtern die über den Kristall gewacht hatten. Ein Porträt meiner Mutter hing ebenfalls hier. Auf dem Bild trug sie ein goldenes Gewand, passend zu ihren goldenen Locken und den bernsteinfarbenen Augen. Ihre Flügel schillerten in einem angenehmen Silberton, waren zierlich und feingliedrig. Ich hatte nichts von ihr geerbt. Ich hatte sie auch nie kennenlernen dürfen. Auf dem Bild wirkte sie so ernst, fast...traurig. Gespenstisch.
"Hey Kumpel!" Eine Stimme durchbrach die Stille und schon wieder zuckte ich zusammen, entspannte mich aber gleich darauf und verdrehte die Augen. Wieso hatte ich ihn nicht hineinkommen hören? Asuko wuselte erst in der unteren Etage um die Bücherregale herum, entdeckte mich dann weiter oben und sprang mit wenigen Schritten die kunstvolle Wendeltreppe hinauf zu mir an den Tisch. Ich nickte nur zur Begrüßung. Mein Freund beugte sich unterdessen neugierig über mein Buch, während ich mit den Armen versuchte, die Seiten abzuschirmen. Doch Asuko begann unwillkürlich zu grinsen.
"Seit wann liest du freiwillig Bücher? Und dann auch noch so alte Schinken?" Ich zog eine Grimasse. "Das geht dich gar nichts an."
Er zuckte mit den Schultern, ließ sich mit dem Hinterteil auf der Tischplatte nieder. "Ich habe versucht, es zu lesen. Bin dabei leider eingeschlafen. Wie kann Glael sowas lesen? Du tust das doch auch nur ihretwegen?" Anhand seines Blickes wusste ich sofort, dass es nichts brachte, zu lügen.
"Ja." Ich klappte das Buch zu und legte es weg.
"Und, läuft da endlich etwas zwischen euch?"
Meine Augen blitzten fast wütend auf, als hätte er mich bei irgendetwas ertappt. "Wir sind nur Freunde! Außerdem habe ich sie seit gestern nicht mehr gesehen."
Asuko nickte nachdenklich, seufzte dann. Sofort merkte ich, dass irgendetwas nicht stimmte. "Was ist?", wollte ich wissen. Plötzlich blickte mein Freund so leidend, doch er schüttelte nur den Kopf. "Ach, nichts nichts", entgegnete er mit einem plötzlich schelmischen Grinsen. Seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf das Buch. "Schon seltsam, diese Geschichte über diesen Thelyn. Oder?"
Langsam nickte ich. "Ja." Mit kurzem Zögern fügte ich hinzu:"Stell' dir vor, er hätte Nachkommen. Leben sie hier? Ihre magischen Fähigkeiten wären legendär."
"Nicht so sehr, wie die Caelum-Magie, aber ja. Doch was hätten sie davon? Manche wollen das Ansehen gar nicht, sondern ein normales Leben führen."
"Ein normales Leben?" Ich sah auf, starrte hinaus in den Regen. Einsames Mondlicht zwängte sich durch die mächtigen Regenwolken hindurch. "Was ist denn ein normales Leben?"
Ich hörte wie mein Freund neben mir leise anfing zu lachen. "Du, mein werter Prinz, führst jedenfalls kein normales Leben. Der Kristall hat dich erwählt. Du musst später seine Kraft tragen und ein Land regieren. Wenn du es gut machst, wird das Volk dich lieben."
"Wie soll ich das schaffen? Ich weiß nicht, wie das geht." Natürlich hatte ich Unterricht über die Etikette an Hofe, die Sitten und Bräuche. Später würde ich in der Caelum-Magie geschult werden. Aber man konnte einem nicht das Regieren lehren. Entweder man machte es gut, oder versagte in irgendeiner Weise auf ganzer Linie. Mein Vater war beliebt. Aber würde ich jemals so gut sein wie er?
Eine warme Hand legte sich auf meine Schulter. Ich wandte den Blick von dem wunderschönen Mond, der am Himmel stand und mutig gegen die Regenwolken anzukämpfen schien, nicht ab. Schon immer hatte ich die Nacht geliebt. Nicht nur wegen der schönen Sternenhimmel. Nein, vor allem, wegen des Mondes.
"Mach' dir keine Sorgen, mann. Du bist nicht allein."

Freunde

"Wie sehe ich aus?" Grinsend drehte ich mich um meine eigene Achse. Dabei wehten meine schwarzen Haare leicht im aufkommenden Wind und mein dunkler Mantel schlug Falten.
"Öhm, also bei einer Skala von Noctis-trägt-sowieso-nur-schwarz bis Noct-trägt-auch-dann-schwarz-wenn-er-mal-die-Sonne-sieht bist du eine gesunde Noctis-mag-auch-blau-schwarz." Daraufhin fläzte sich Asuko auf mein Bett, verschränkte lässig die Arme hinter dem Kopf und wirkte, als wäre er mit seiner Kritik ganz zufrieden. Er war in letzter Zeit ganz schön in die Höhe geschossen, sodass ich mich neben ihm und Jinho manchmal wirklich klein fühlte. Dabei hatte ich schon meinen vierzehnten Geburtstag hinter mir und man konnte nicht sagen, ich wäre immer noch so dürr und winzig wie damals. Das tägliche Training hinterlässt Spuren, sagte Jinho immer. Dieser lehnte gerade mit verschränkten Armen an der Wand und musterte mich prüfend. Dann grinste er ebenfalls.
"Nun, für eine Freundin dürfte es nicht reichen, aber es ist genug für den heutigen Tag."
Asuko sah zu ihm. "So spricht der große Frauenheld."
Ich verdrehte seufzend die Augen und wandte mich an den Spiegel, um noch einmal meine wilden Haare zu ordnen. Snow saß neben mir und folgte mit seinem Blick jeder meiner Bewegungen. Meine blauen Augen strahlten förmlich. Vater hatte mir tatsächlich erlaubt, den Palast zu verlassen um im Wald ausreiten zu gehen. Ich würde die Stadt sehen und das nicht durch ein Fenster einer Kutsche, sondern vom Rücken meines Pferdes. Jinho und Asuko würden mich begleiten, genauso wie ein paar Soldaten der Akademie. Passend zum sommerlichen Wetter trug ich ein schlichtes Hemd und Handschuhe, sowie dunkle Hose und feine Stiefel. Der Mantel dagegen diente wohl eher als Zier und schützte meine blassen Arme vor der Sonne.
Voller Euphorie drehte ich mich zu den beiden um und meinte lächelnd:"Wir sollten aufbrechen, bevor wir den Tag verplempern."

Es dauerte nicht lange, bis wir auf unseren gesattelten Pferden saßen und durch das große Palasttor ritten. Die Sonne wärmte mich und ich sog genussvoll die frische Luft ein. Jinho und Asuko hielten sich mit ihren Pferden dicht hinter mir und schienen sich wegen irgendetwas zu streiten.
"Ich habe gesagt, sie ist hübsch!"
"Woah, und weiter? Sie ist dumm wie eine Flunder!"
"Du weißt doch noch nicht mal, was eine Flunder ist..."
"Ach Jinho, ich bezweifle eher, dass du das weißt."
"Hör' auf oder ich schubse dich von deinem Gaul."
Ich lächelte leise in mich hinein. So waren die beiden, tagein, tagaus. Jedenfalls ließ ich mich davon nicht stören. Mein Blick galt den vielen, hübschen Häusern der Stadt. Es erstaunte mich, dass die Leute glücklich mit ihrem Hab und Gut waren. Für mich schienen diese Häuser viel zu klein. Aber es musste dadurch umso gemütlicher sein. Mit großen Augen beobachtete ich die Gondeln, die sich ihre Wege durch die Wasserkanäle der Stadt suchten und nahm die Menschentrauben am Rand der Straße gar nicht richtig wahr. Ich hatte mein Dauerlächeln aufgesetzt und winkte immer wieder den Leuten zu, die unserem Zug durch die Stadt zujubelten. Einige warfen sogar Blumen. So etwas war Alltag für mich.

Der Wald war wunderschön. Es roch völlig anders als im angelegten Wäldchen im Garten des Palastes. Tiere waren hier, die ich bisher noch nie gesehen hatte. Die Vögel zwitscherten und die Baumkronen raschelten leise im Wind.
Ich hatte dem Zug den Befehl gegeben, zu halten und war von meinem Pferd gestiegen, um ein Stückchen zu Fuß zu gehen. Jinho und Asuko begleiteten mich, die Soldaten sollten zurückbleiben.
"Das ist ein schöner Ort", stellte ich fest, als wir auf eine Lichtung traten. Der Boden war bedeckt mit weißen und blauen Blumen, die im Sonnenlicht strahlten und sich leicht im Wind wiegten. Ich pflückte eine davon und sog den süßen Duft ein.
"Nachts kommen bestimmt die Nymphen her", flüsterte Asuko nahe an meinem Ohr, sodass ich leicht zusammen zuckte. "Und sie sind schöner als Jinhos bisherige Bekanntschaften."
Jinho stöhnte leise. "Asuko, das glaubst du doch wohl selber nicht."
"Sollen wir wetten?"
Verwirrt sah ich zwischen den zwei Blondschopfen hin und her. Was sollte das werden?
"Gerne", lachte Jinho und schlug ein.
"Wie wollt ihr das anstellen? Heute Nacht sind wir zurück im Palast!", wandte ich ein, fuhr mir dabei nachdenklich durch die Haare.
Asuko aber zuckte nur mit den Schultern und schüttelte den Kopf.
"Keine Sorge, mein kleiner Prinz. Ich komme heute Nacht hier her zurück und hole mir eine Haarsträhne von einer der Nymphen. Und wenn ich das schaffe, muss mir Jinho auf ewig dienen!"
Jinho boxte ihm freundschaftlich gegen die Schulter. "Und wenn du mit leeren Händen zurück kommst, gilt das gleiche für dich, Idiot."
Irgendwie steckten sich mich mit ihrem Lachen an. Wir drei waren schon eine merkwürdige Truppe. Aber das war auch der Grund, warum wir uns so gut verstanden. Wir waren einfach wie Brüder, die sich niemals trennen sollten...
...dachte ich zumindest.

Ein Auszug der Vergangenheit

War das anstrengend.
Ich stemmte mein ganzes Gewicht - sofern man tatsächlich von einem Gewicht sprechen konnte - gegen die Heugabel und schob mit aller Kraft und mit höchst ächzenden Lauten den Mist aus der Box in den Gang hinaus. Für einen Moment richtete ich mich auf, streckte mein Kreuz durch und atmete laut auf. Etwas angewidert wischte ich mir die kleinen Schweißperlen von der Stirn und fasste ins Stroh, um meine Hand einigermaßen davon zu säubern.
Aufmerksam sah ich nun die Stallgasse entlang. Das Gebäude war recht groß, zehn Pferde fanden hier Platz. Die Tiere hatte ich bereits vorher hinaus bringen müssen, um jede einzelne der Boxen gründlich auf Vordermann zu bringen. So, wie es der Herr eben wollte. Obwohl der Herr aus edlem Haus kam und seine Pferde beste Bedingungen genossen, ekelte mich der permanente Geruch nach Pferd und Heu an. Meine feine Nase konnte das langsam einfach nicht mehr riechen. Aber wir brauchten das Geld und zwar dringend.
"Faith?", rief ich fragend und lauschte.
Es dauerte nicht lange, bis sich etwas bei den hinteren Boxen regte. Kurz darauf sprang eine kleine Gestalt ebenfalls in die Gasse hinaus und lief mit einer Schubkarre zu mir hinüber. Die kleine Elfe ließ sich ihre Müdigkeit kaum anmerken. Ganz im Gegenteil. Voller Elan half sie mir dabei, den Mist in die Schubkarre zu heben. Faith hatte ihre schulterlangen Haare zu einem Zopf zusammen gebunden, sodass ihr kindliches, doch elfengleiches Gesicht ganz zur Geltung kommen konnte. Ich versteckte meines doch lieber hinter meinen dunklen Haaren. Während Faiths Flügel noch klein und stumpf waren, hatten sich meine in den letzten Jahren stark weiter entwickelt. Nicht gerade praktisch bei solch einer Arbeit.
"Sag mal", fing meine kleine Schwester an und riss mich so aus meinen Gedanken, "was war das vorhin?" Mit dunkel blitzenden Augen sah sie mich fast schon anklagend an.
Verwirrt legte ich den Kopf schief. "Was meinst du?", fragte ich nichts ahnend zurück.
"Hah! Du kannst mir nichts vormachen. Der Sohn des Herren hat dich angestarrt, mit diesem Blick!" Sie sprang aufgeregt auf und ab und ihr Zopf schlug ihr dabei fast in das Gesicht.
"Was denn für ein Blick?" Ich war ich noch verwirrter.
Faiths Wangen fingen an zu glühen. "Du weißt ganz genau, was ich meine. Da stellt sich mir doch die Frage..." Sie nahm meine Hand und fasste sich theatralisch an die Stirn. "Wirst du ihn heiraten?"
Jetzt musste ich doch ein bisschen lachen. Meine Schwester war erst sieben und war gleich auf so etwas aus. "Warum denn heiraten?", lächelte ich versonnen.
"Wenn er dich mag und dich heiratet, wirst du reich! Und dann werde ich auch reich!"
Ich lächelte weiter und tätschelte leicht ihren Kopf. Dass sie das nicht leiden konnte, sah man spätestens dann, als ihr Gesicht einen rötlichen Schimmer annahm.
"Stimmt, das würde tatsächlich all unsere Probleme lösen, was?"
Müde stellte ich die Heugabel weg und ließ mich auf einen Heuballen im Gang nieder. Meine Schwester ließ sich sehr unelfenhaft neben mich plumsen.
"Warum gibt es eigentlich arme und reiche Leute in der Stadt? Das ist total gemein! Und die Reichen wollen nichts von uns wissen." Faith gab ein Schnauben von sich.
Sie hatte recht. Erst gestern war ich beinahe von einer Kutsche überfahren worden. Einfach, weil derjenige in der Kutsche es wohl sehr eilig gehabt hatte, an sein Ziel zu kommen. Und die Kinder, die auf den Straßen spielten mit schmutzigen Kleidern waren sowieso nichts wert in Augen derer. Blöd nur, dass meine Familie zu den Ärmsten der Armen gehörten. Ich hatte kaum Kraft, diese Arbeit zu verrichten, weil ich meine Mahlzeiten an Faith abrückte. Ich hatte das Gefühl, dass sie es noch zu etwas bringen würde im Leben.
"Lilith?", fragte Faith nach einer langen Schweigepause.
"Hm?"
"Glaubst du, wir können später Musiker werden?"
"Bestimmt", entgegnete ich und ließ mich neben sie in das Heu nieder, "ich nehme meine Geige und du deine Stimme. Und dann stehlen wir ein Pferd und bereisen auf seinem Rücken die ganze Welt! Wir werden Luluthien sehen und Zentauren und Eorzea. Und natürlich Drachen!"
"Drachen?", fragte sie, bevor sie sich durch das Heu zu mir rollte. "Wenn es sie wirklich gibt, will ich auf so einem reiten!"
"Es gibt sie bestimmt", murmelte ich leise vor mich hin, "du musst nur ganz fest daran glauben. Dann ist alles möglich."